Wenn der deutsche Rechtsweg ausgeschöpft wurde, können Eltern Klage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte einrichten. Dies haben bereits mehrere vom Jugendamt geschädigte Familien getan. Nachfolgend finden Sie eine Liste der EGMR Urteile gegen die Bundesrepublik Deutschland. Weitere Verurteilungen des EGMR gegen die Bundesrepublik Deutschland hier.
EGMR Urteile gegen BRD (Jugendamt)
recht-obsolet.de hat für Sie eine Übersicht aller Gerichtsurteile des EGMR gegen die Bundesrepublik Deutschland / Jugendamt chronologisch nach Jahreszahl des ergangenen Urteils zusammengestellt und kommentiert.
2023: CASE OF SIOUD v. GERMANY
Am 24. Oktober 2023 erging erneut ein EGMR Urteil gegen BRD. Die Bundesrepublik Deutschland wurde zur Zahlung von Schmerzensgeld verurteilt. Hier können Sie EGMR Urteil lesen, hier die Klage Nummer 48698/21.
Am EGMR geklagt hatte Kindesvater Akram Sioud aus Hanau. Er beklagte die Umgangsverweigerung mit seiner, im Dezember 2008 geborenen Tochter. Das OLG Frankfurt setzte den Umgang zwischen Vater und Tochter aus. Das Bundesverfassungsgericht bestätigte in der Verfassungsbeschwerde 1 BvR 373/20 das Urteil des OLG Frankfurt, wodurch der Kindesvater durch Klage am EGMR die nächste Instanz ansprechen konnte.
Der EGMR stellte Verletzung von Artikel n8 der Europäischen Menschenrechtskonvention fest und verurteilten die BRD zu Schadensersatz für immateriellen Schaden in Höhe von 6.000 Euro sowie 6.000 Euro für Kosten und Auslagen.
2010: Case of ANAYO v. Germany
Am 21. Dezember 2010 wurde die BRD erneut vom EGMR verurteilt unter der Beschwerde-Nr. 20578/07. Hier finden Sie das Urteil: https://hudoc.echr.coe.int/eng#{%22tabview%22:[%22document%22],%22itemid%22:[%22001-102443%22]}
Vater und Kind wurden unnötigerweise voneinander getrennt, eine Verletzung von Art. 8 EMRK war festzustellen, dem Vater eine Entschädigung nach Art. 41 EMRK zuzusprechen: 5.000 Euro für immateriellen Schaden sowie 4.030 Euro für Auslagen und Kosten. Die deutschsprachige Kommentierung können Sie hier downloaden.
2006: Erwin Wildgruber / BRD
Unter der Antrags-Nr. 32817/02 führte Erwin Wildgruber am EGMR ein Verfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland. Der EGMR kam zum Entschluss, dass nationale Gerichte im Ermessensspielraum geurteilt haben. Nachzulesen ist das EGMR Urteil Wildhuber hier. Vater Wildhuber reichte die Klage auch im Namen seiner beiden Kinder ein, dies ließ der EGMR jedoch mangels Sorgerecht nicht zu.
Zuvor wiesen Gerichte Anträge auf Umgangserweiterung ab. Während der Vater in bestehenden Umgangsregelungen Gefahr sah, dass eine Entfremdung stattfinden könne, kamen deutsche Gerichte zu anderer Auffassung.
Indes könne Umgangserweiterung zu Verunsicherung der Kinder in der mütterlichen Obhut führen, so Tenor einer vorhergehenden Gerichtsentscheidung. Dies wurde seit des Gerichts damit begründet, dass Vater Erwin Wildgruber seine Kinder entführt hatte und mehrere Monate mit ihnen unterwegs war.
Interessant: Das Amtsgericht verzichtete darauf, seinen Sachverständigen für ein familienpsychologisches Gutachten zu bestallen und einen Verfahrenspflege für die Kinder zu beauftragen.
Der Gerichtshof erkennt an, dass das Amtsgericht aufgrund persönlicher Kontakte zu Eltern und Kindern sich sorgfältig mit dem Fall auseinandergesetzt und hinreichend Sachkunde hatte.
2006: Sürmeli vs. BRD
Erneut hat sich der EGMR in Strasbourg einer Klage gegen die BRD annehmen müssen. Hier geht es zwar nicht um ein Verfahren gegen das Jugendamt, wohl aber über langes Verfahren. In der Causa Selim-Mustafa Sürmeli wurde die Beschwerde Nr. 75529/01 eingereicht.
Das Gericht erkennt einstimmig einen Verstoß gegen Artikel 13 sowie Verstoß gegen Artikel 6 § 1 des Übereinkommens. Hier zum EGMR Urteil Sürmeli.
2004: Conny Haase und Josef Haase gegen Bundesrepublik Deutschland
Conny und Josef Haase haben 7 Kindern das Leben geschenkt. Eines, Lisa-Marie Haase ist tot. Geboren am 04.05.1992. Am 11.01.2006 verstorben in der Obhut des Jugendamts.
Verantwortlich waren zwei Jugendämter: Steinfurt & Münster. Nicht nur der Tod der Tochter Lisa-Marie ist einer der traurigen Ereignisse in diesem Fall. Auch hat man einem der Haase-Kinder über Jahre hinweg erzählt, seine Eltern seien tot.
Der Gerichtshof kommt in seinem Urteil zur Auffassung, dass insbesondere die Trennung und darauffolgende Umgangsverweigerung seit Dezember 2001 den Beschwerdeführern großes schweres Leid zugefügt habe. Dieses sei nach Auffassung des Gerichtshofs zusätzlich verschlimmert worden, weil die Hoffnung auf ein Wiedersehen mit den Kindern über die Jahre schwand.
In der Folge erkannte der Gerichtshof materiellen sowie immateriellen Schaden an. Er sprach beiden Beschwerdeführern 35.000 Euro zu. Daneben wurden Ausgaben erstattet. Die Regierung der BRD hat sich mehrfach nicht zur Sache geäußert.
Zur Verurteilung der BRD in der Rechtssache Conny und Josef Haase können Sie auf der Webseite vom Bundesministerium der Justiz hier das Urteil zur Individualbeschwerde Nr. 11057/02 lesen. Die journalistisch betreute Webseite zur Causa Haase können Sie hier im Webarchiv einsehen.
2004: Kazim Görgülü EGMR Urteil gegen Bundesrepublik Deutschland
Kazim Görgülü ist nichtehelicher Vater. Er klagte um elterliche Sorge, Umgangsrecht und schlussendlich auch noch gegen die Freigabe zur Adoption seines Sohnes. Die Mutter des Kindes hat dieses ohne Einverständnis von Vater Kazim Görgülü zur Adoption freigegeben.
Mehrfach gewann Vater Kazim Görgülü Verfahren am Amtsgericht Wittenberg, die Urteile wurden jedoch mehrfach vom Oberlandesgericht Naumburg aufgehoben. Ebenfalls hob das Bundesverfassungsgericht Entscheidungen zur Causa Görgülü auf.
Der EGMR verurteilte die BRD auf 15.000 Euro als Ersatz für immateriellen Schaden. Lesen Sie auf Wikipedia Fall Kazim Görgülü. Hier finden Sie das Urteil zur Individualbeschwerde Nr. 74969/01.
2003: Asim Sahin gegen Deutschland
Auch hier klagte Asim Sahin, Vater eines unehelich geborenen Kindes am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gegen die Bundesrepublik Deutschland. Die Kindesmutter verbot den Umgang zwischen Vater und Kind.
Zunächst klagte der Vater Asim Sahin Umgangskontakte beim Amtsgericht Wiesbaden ein. Das AG urteilte: Kein Umgangsrecht für den Vater. Dieser gab Beschwerde beim Landgericht Wiesbaden ein, welches die Beschwerde abwies. Das Bundesverfassungsgericht lehnte Bundesverfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers ab.
Der Beschwerdeführer Asim Sahin verlangte für materiellen und immateriellen Schaden 3 Millionen Euro. Wegen Verletzung von Artikel 8 und 14 sprach der Gerichtshof Vater Asim Sahin rund 25.565 Euro sowie wegen Diskriminierung 4.500 Euro Entschädigung zu. Anteilig wurden Verfahrenskosten sowie weitere Ausgaben für Anwalt und Übersetzungen zugesprochen.
Hier finden Sie das Urteil der Individualbeschwerde Nr. 30943/96.
2003: Manfred Sommerfeld erfolgreiche Klage gegen BRD
Dem Vater Manfred Sommerfeld wurde durch mehrere deutsche Gerichte der Umgang zu seinem nichtehelich geborenen Kinde verweigert. Manfred Sommerfeld verklagte die BRD und forderte den EGMR auf, eine Verletzung der Artikel 6, 8 und 14 der Konvention festzustellen. Der Rechtssache basiert auf der Individualbeschwerde Nr. 31871/96.
Vater Manfred Sommerfeld klagte erfolgreich. Der EGMR stellt Verstöße gegen Artikel 8 und 14 fest. Als Entschädigung verurteilte der EGMR die Bundesrepublik auf Zahlung von 28.120 Euro. Das Verfahren wurde mit Prozesskostenhilfe geführt. Es wurden Auslagen in Höhe von 1.278 Euro bewilligt.
2003: Heinrich Niederböster – überlange Verfahrensdauer
Die Rechtssache Heinrich Niederböster gegen Deutschland wurde unter der Beschwerde Nr. 39547/98 geführt. Der 1915 geborene Vater eines nichtehelichen Kindes beklagte überlange Dauer des Verfahrens am Bundesverfassungsgericht.
Aufgrund seines Alters und Gesundheitszustandes war die Verfahrensdauervon gut 4 Jahren zu lang. Es ging um die Durchsetzung von Umgangsrecht, in der Sache jedoch lediglich um Feststellung der Verletzung. Es wurden lediglich Teilkosten erstattet.
2002: Kutzner – rechtwidriger Sorgerechtsentzug wegen kindlicher Entwicklungsverzögerung
Die Eltern Ingo Kutzner und Annette Kutzner haben beim EGMR gegen die Bundesrepublik Deutschland geklagt. Ihre Beschwerde wurde unter der Nr. 46544/99 geführt, das Urteil unter vorigem Link auf der Webseite vom Bundesministerium der Justiz nachzulesen.
Zum Fall Kutzner: Beide Elternteile waren auf der Sonderschule für Lernbehinderte. Die entwicklungsverzögerten Töchter besuchten einen Heilpädagogischen Kindergarten. Eine sozialpädagogische Familienhilfe war installiert. Es folgten Sorgerechtsentzug und Kindesentzug durch Inobhutnahme – wegen fehlender „geistiger Befähigung“. Zu Unrecht, wie der EGMR entschied. Wegen Verletzung von Art. 8 EMRK wurden den Eltern 15.000 Euro für den erlittenen immateriellen Schaden sowie 8.000 Euro Anwaltskosten zugesprochen.
Der Spielfilm „In Sachen Kaminski“ basiert auf den wahren Begebenheit des Kindesentzugs durch das Jugendamt Karlsruhe in der Causa Kutzner.
2001: Sahin, Sommerfeld & Hoffmann gegen Deutschland
EGMR verurteilt Diskriminierung von Vätern nichtehelicher Kinder. Friedhelm Hoffmann, Vater einer nichtehelichen Tochter, ist Beschwerdeführer. Ihm wurde der Umgang zum Kind untersagt. Auch die beiden Väter Sahin und Sommerfeld befand sich in gleicher Lage. Nach Art. 8 EMRK ist das Recht auf Achtung des Familienlebens verletzt.
Ausführlich nachzulesen auf uni-potsdam.de. Hier alles über die Friedhelm Hoffmann Individualbeschwerde Nr. 34045/96 beim European Court of Human Rights lesen. Hier finden Sie das Urteil in der Rechtssache Hoffmann ./. Deutschland.
2000: Elsholz verklagt BRD
Der Hamburger Egbert Elsholz ist unverheirateter Vater. Die Mutter der Kinder entfremdete diese. Ohne Gutachten wurde der Umgang zwischen Vater und Kindern verweigert. Die Klage wurde unter der Beschwerde Nr. 25735/94 geführt. Hier finden Sie das EGMR Urteil Elsholz / BRD. Dem Vater wurden 35.000 DM sowie 12.500 DM Auslagen erstattet.